Hilfe und Dokumentation zu WdK-Explorer

Diagramm für Aktuelle Auwahl statistik

1. Das Deutsche Reich - S. 1

1905 - Berlin : Mittler
I. Allgemeines. Welche Aufgabe hat die Wirtschaftsgeographie? Die Vielgestaltigkeit des heutigen Wirtschaftslebens stellt an den einzelnen hohe geistige und körperliche Anforderungen. Zahlreiche Existenzen unterhegen alljährlich in dem mit allen nur denkbaren Mitteln geführten Interessenkampfe, weil ihnen über den engen Kreis des eigenen Berufslebens hinaus das Verständnis für die Bedürfnisse der Zeit, die Einsicht in das allgemeine Wirtschaftsleben fehlt. Diese erweiterte volkswirtschaftliche Einsicht verleiht dem einzelnen erhöhte wirtschaftliche Kraft. Die Wirtschaftsgeographie hat die Aufgabe, die wirtschaft- lichen Verhältnisse eines Landes auf ihren ursächlichen Zu- sammenhang mit den natürlichen Landesverhältnissen zu untersuchen. Nur diese kausale Betrachtungsweise der Erdkunde, welche die wirtschaftlichen Leistungen der Länder in den Vordergrund stellt, ist von bleibendem Werte für die geistige und berufliche Bildung. Was mufs man zum besseren Verständnisse der wirtschaft- lichen Verhältnisse Deutschlands von der Entwicklungs- geschichte der Erde wissen? Nach den Hypothesen von Kant, Laplace, Thomson und Croll be- standen einst alle Körper unseres Sonnensystems aus großen kugelförmigen Nebelmassen, die durch gegenseitige Anziehung in Bewegung gerieten. Die durch die Schnelligkeit derselben erzeugte ungeheure Wärme ver- setzte die Urnebel, auch Materie genannt, in einen gasförmigen Zustand, in welchem sich bereits alle gegenwärtig auf der Erde vorhandenen Stoffe befanden. Durch fortgesetzte Wärmeausstrahlung und durch die hiermit ver- bundene stete Zusammenziehung wurde aus dem glühenden Nebelball all- mählich ein glühendflüssiger Körper. In ihm waren die Bestandteile der heutigen Erdkruste in geschmolzenem Zustande enthalten. "Wolff—pflug, Wirtschaftsgeographie. I. 1

2. Das Deutsche Reich - S. 60

1905 - Berlin : Mittler
Go Die Hauptartikel bilden Brillen, Mikroskope, Teleskope, Fernrohre, Feldstecher, photographische Apparate, Linsen und Meßinstrumente aller Art. Die Zeiß-Werke bestehen aus einer Glashütte nebst vielen optischen Werkstätten und beschäftigen gegenwärtig 1350 Arbeiter einschließ lieh 20 wissenschaftlicher Mitarbeiter und 80 Ingenieure. Soziales. Durch die von Abbe nach Zeiß' Tode errichtete Karl- Zeiß - Stiftung sind Einrichtungen geschaffen worden, die unübertroffen dastehen. Wir nennen die wichtigsten: 1. Überstunden und Sonntagsarbeit werden beiï25 % Lohnzuschlag nur von solchen Arbeitern verrichtet, die sich freiwillig dazu erbieten. 2. Gewinnbeteiligung aller Arbeiter. 3. Gewährung von Urlaub, jährlich eine Woche mit Lohnzahlung. 4. Freie Ausübung aller persönlichen und bürgerlichen Eechte. 5. Bezahlimg der Wochenfeiertage. 6. Bezahlung bei Urlaub für ehrenamtliche Tätigkeit. 7. Achtstundentag. 8. Öffentliche Lesehalle und Fabrikbadeanstalt. Für gemeinnützige Zwecke wurden bis Ostern 1903 über 3 000 000 M verausgabt. Ii. Der Thüringer Wald. Lage und Landschaftliches. Er streicht auf der Südwestseite Thüringens von der Saale bis zur Werra. Sein südöstlicher Teil führt den Namen Frankenwald und gehört zu Bayern. Er stellt ein langgestrecktes Kammgebirge dar, das sich in einer mittleren Höhe von 700 m bewegt und besonders nach No. steil abfällt. Unter den zahlreichen Gipfeln, die seinem Kamm aufgesetzt sind, ragen der Inselsberg und der Beerberg (984) durch ihre Höhe hervor. Geologisches. In geologischer Hinsicht ist der Thüringer Wald äußerst interessant. Kein zweites Gebirge Deutschlands zeigt eine so buntscheckige Zusammensetzung wie er. In seiner größten Masse besteht er aus Aus- wurfgesteinen, wie Granit und Porphyr, woraus auch überwiegend die Berg- kuppen gebildet sind. Daneben sind Schiefer und Zechstein zu nennen. Der letztere zieht sich namentlich am Rande des Gebirges hin. Worin bestellt gegenwärtig seine wirtschaftliche Bedeutung? Der Thüringer Wald beherbergt mehrere bedeutsame In- dustriebezirke; denn er ist im allgemeinen leicht zugäng-

3. Das Deutsche Reich - S. 106

1905 - Berlin : Mittler
— 106 Deutschland steht wohl mit seiner hochentwickelten Forst- wirtschaft, die auf einer sicheren wissenschaftlichen Grundlage ruht, unerreicht da. Aus den gut organisierten Forstakademien des Deutschen Reiches (Eberswalde, Münden, Tharandt, Aschaffenburg, Eisenach u. a.) geht ein trefflich geschultes Forstpersonal hervor. In erster Linie hegt die wirtschaftliche Bedeutung des Waldes in seiner Fähigkeit, Brenn- und Nutzholz in reicher Menge zu liefern. Doch sind die Ansprüche, die heutzutage Holz- und Papierindustrie, Maschinen- und Schiffbau, Bergbau, sowie die vielen Eisenbahnanlagen an die Produktionskraft des deutschen Waldes stellen, so bedeutend, daß er nicht im entferntesten imstande ist, dieselben zu befriedigen. Daher findet eine starke Holzeinfuhr, namentlich aus Österreich-Ungarn, Rußland, Finnland, Schweden und der Union, statt. Der Ein- fuhrwert für Bau- und Nutzholz, für Faßdauben, Schleifholz und Holz zur Zellulosefabrikation bezifferte sich im Jahre 1902 auf 195,2 Mill. Mark. Außer Holz liefert der Wald verschiedene recht schätzens- werte Nebenprodukte, wie Rinde, Holzkohle, Pech, Harz, Beeren, Pilze, Streu, Gras und Wild. Im übrigen äußert sich die Bedeutung des Waldes darin, daß er die Feuchtigkeit sammelt und in zahlreichen Bächen nach den verschiedensten Richtungen langsam verteilt, ver- heerende Winde bricht, im Flachlande flüchtigen Sand bindet, das Klima günstig beeinflußt und zum Wohlbefinden der Menschen, die in seiner stärkenden Luft körperliche und geistige Erholung finden, beiträgt, Als ein wirtschaftlich beachtenswertes Moment mag zum Schluß noch die Tatsache hervorgehoben werden, daß die Forstwirtschaft meist noch dort betrieben werden kann, wo ungünstige Boden- und Terrainverhältnisse den Betrieb der Landwirtschaft nicht mehr zulassen. C. Die Viehzucht. 1. Allgemeine Bedeutung-. Die Viehzucht steht in engem Zusammenhange mit der Landwirtschaft; ja, die Rentabilität der letzteren hängt gegen- wärtig in nicht geringem Grade von dem Betriebe der ersteren ab. Eine den Verhältnissen der Landwirtschaft entsprechende

4. Das Deutsche Reich - S. 27

1905 - Berlin : Mittler
— 27 — b) Politisch umfaßt es mehr oder minder vollständig sechs Staaten : den Nw. Bayerns (Franken) und die Rheinpfalz, Württemberg, Hohenzollern, Baden (ohne den südöstlichen Zipfel), Rheinhessen und die Reichslande. Größe. Es ist etwa l1/2mal so groß wie das deutsche Alpenvorland und gehört im Gegensatze zu diesem zu den be- völkertsten Gebieten des Reiches (Württemberg 111,2 auf 1 qkm, Baden 123,9, Elsaß-Lothringen 118,5, Rheinhessen 145,8). Daher auch hier 14, dort nur 2 größere Mittel- bezw. Großstädte. Wie ist die Entstellung des siidwestdeutsclien Beckens zu erklären? a) Im Altertume der Erdbildungsgeschichte befand sich an seiner Stelle vermutlich ein hohes Bergland. Im Verlaufe ungezählter Jahr- tausende sanken auch hier wie im Nachbargebiete große Erdschollen in die Tiefe. Ein Becken von besonderer Tiefe entstand in der Gegend der heutigen Pfalz. Ungeheure Massen üppig wuchernder Pflanzen füllten zu wiederholten Malen dasselbe aus. Aber ebensooft wurden sie auch durch schwere Schutt- und Trümmermassen überdeckt. So wurde der Grund zu dem heutigen Saar brücker Kohlen- revier gelegt. b) In späteren Zeitläuften überfluteten die brandenden Wogen der Trias- und Jurameere diese Stätte. Durch vulkanische Kräfte wurde der Meeresboden wahrscheinlich später wieder gehoben, und die auf ihm abgesetzten Trias- und Jura- formationen ragten als Gebirge empor. Darauf begannen dann die zermürbenden Kräfte der Natur an ihnen ihr Zerstörungswerk und trugen große Massen der Auflagerungen wieder ab. c) Im tertiären Zeitalter (Braunkohlenzeit) gaben neue gewaltige Umwälzungen auf der Erdoberfläche dieser Gegend wieder ein neues Gesicht. Durch den andauernden Abkühlungsprozeß entstanden riesen- hafte Spalten und Risse in der Erdrinde, und große Erdschollen glitten allmählich in die unterirdischen Hohlräume. Am tiefsten sanken die Schollen da, wo sich heute die ober- rheinische Tiefebene in Gestalt eines riesigen Grabens befindet. Ihre unmittelbaren Nachbargebiete verharrten jedoch mehr oder minder in der alten Höhe und bilden so die heutigen Eandgebirge : Schwarz- und Wasgenwald. d) Auch die entfernteren westlichen und östlichen Nachbar- landschaften gerieten ins Sinken, neigten sich in Stufen der großen Grabensenke zu und bildeten auf diese Weise die bekannten S tuf en- länder. Aus mehreren Spalten der Grabensohle quollen feurig-flüssige Eruptiv- massen hervor und ließen basaltische Bergkuppen (Kaiserstuhl) entstehen. An den Bruchstellen der Eandgebirge wurden die warmen Quellen bloßgelegt (Baden-Baden). e) Bald drangen von einem nördlichen Meere Wassermassen in die Senke und machten sie zu einem Meeresarm. i

5. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 29

1913 - Leipzig : Hahn
29 nächsten Augenblick in einem Tunnel verschwindet, da er sich nicht am Felsen vorbeidrücken kann. Hier treibt ein Floß von ungeheurer Länge; es bringt Schwarzwaldtannen und Bretter nach Holland. Die Ruderer an beiden Enden bewegen die Steuer im Takte; sie sind froh, daß sie beide Brücken bei Mainz ohne Anstoß durchfahren haben. Langgestreckte Inseln liegen mitten im Strome, und Fahrzeuge aller Größen durchkreuzen ihn längs und quer. Bald grüßt von einem hohen Felsen Burg Rhein- stein herab, die sich Prinz Friedrich von Preußen aus Ruinen in alt- ritterlicher Bauart herstellen ließ; man sieht die schmalen Fallbrücken, welche den Einlaß in den Burghof gewähren. Kaum ist Nheiustein dem Blick entschwunden, so taucht bereits Burg Sooneck vor uns auf. Sanft gleitet das Schiff hin auf dem schönen, majestätischen Strome, der auch im Sommer eine stattliche Wasserfülle behält, weil die 300 Gletscher an seiner Wiege gerade zur Zeit der Sonnenglut ihn reichlich nähren. Von B a ch a r a ch schallt jetzt der Klang der Glocken herüber, die zum Hochamt rufen, und bald hallen die Orgeltöne weihevoll über die Wogen. Wie drängt sich da Reinicks Lied „Sonntag am Rhein" von selbst auf die Lippen: Des Sonntags in der Morgenstund', Und ernst in all die Herrlichkeit wie wandert's sich so schön die Burg herniederschaut am Rhein, wenn rings in weiter Rund' und spricht von alter, guter Zeit, die Morgenglocken gehn. — die auf den Fels gebaut. Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, da singt's und jubelt's drein; du Schifflein, gelt, das fährt sich gut in all die Lust hinein? Das alles beut der prächt'ge Rhein an seinem Rebenstrand und spiegelt recht im hellsten Schein das ganze Vaterland, — Vom Dorfe hallet Orgelton, Das fromme, tteue Vaterland es tönt ein frommes Lied; in seiner vollen Pracht, andächtig dort die Prozession mit Lust und Liedern allerhand aus der Kapelle zieht. — vom lieben Gott bedacht. — Jetzt blicke zur Rechten! Kaub taucht auf. Wie ruft dieser Name die geschichtliche Erinnerung wach an den alten Feldmarschall Vorwärts, der in der Neujahrsnacht 1814 den Befehl erteilte und ausführte: „In Frankreich hinein!" und der an der Übergangsstelle, in Erz gegossen, noch heute dasteht, die Faust am Schwertgriff. Dort, wo ein Zug fauchend aus dem schwarzen Felsentunnel hervorschießt, ist der L o r e l e i f e l s e n, der sich schroff und steil au den Strom herandrängt. Fehlt ihm auch ern dichtes grünes Kleid, so ist er dafür um so reicher mit Sagen umwoben. Zur Zeit der Dämmerung und beim milden Glanze des Mondlichts ließ sich früher eine holde Jungfrau mit goldenen Locken auf der Kuppe sehen, die mtt so verlockender Stimme sang, daß viele Vorüberfahrende wie ver- zaubert lauschten, Kiel und Steuer vergaßen und am Felsenriff zerschellten. Der Sohn eines Pfalzgrasen wollte zu ihr dringen, tat den Sprung aus dem Fahrzeug zu kurz und ertrank. Ein Bote des Vaters forderte sie auf, sich in den Rhein zu stürzen; doch sie entgegnete: „Der Rhein mag mich holen!" Da flogen zwei Wellen in Gestalt weißer Rosse zu

6. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 9

1913 - Leipzig : Hahn
9 zum Schlafengehen war es der Gedanke an die bald bevor- stehende, sehnlichst gewünschte Ruhe, der nun über das Unan- genehme und Mühsame der Arbeit wieder seinen tröstlichen Schimmer verbreitete. Freilich wußte man, daß den folgenden Tag der Kreislauf des Lebens so von vorn wieder anfing. Aber auch diese zu- letzt ermüdende Einförmigkeit im Leben wurde durch die Hoff- nung auf den Sonntag wieder auf eine angenehme Art unter- brochen. Wenn der Reiz des Frühstücks, des Mittag- und des Abendessens nicht mehr hinlänglich war, die Lebens- und Arbeits- lust zu erhalten, dann zählte man, wie lange es noch bis auf den Sonntag war, wo man einen ganzen Tag von der Arbeit feiern und einmal aus der dunkeln Werkstatt vors Tor hinaus in das freie Feld gehen und des Anblicks der freien, offenen Natur genießen konnte. O, welche Reize hat der Sonntag für den Handwerksmann! Er kann es ganz fühlen, was für ein großer, herrlicher, menschenfreundlicher Sinn im dritten Ge- bote liegt! Und wie freute sich Anton auf den Sonntag! Sein Mitlehrling hatte ihm versprochen, ihn künftigen Sonntag mit in die Bruderkirche zu nehmen, deren Prediger ihn oft erschüttert und bewegt habe. Der Sonntag kam heran. Anton stand früher als gewöhnlich auf, verrichtete seine Geschäfte und kleidete sich an. Als ge- läutet wurde, hatte er schon eine Art angenehmen Vorgefühls dessen, was er nun bald hören werde. Man ging zur Kirche. Die Straßen, die nach der Bruderkirche führten, waren voller Menschen, die in Menge hinzueilten. Als die beiden Lehr- linge in die Kirche kamen, konnten sie kaum noch ein Plätzchen der Kanzel gegenüber finden. Die Kirche war ein altes gotisches Gebäude mit dicken Pfeilern, die das hohe Ge- wölbe unterstützten, und ungeheuer langen, bogigen Fenstern, deren Scheiben so bemalt waren, daß sie nur ein schwaches Licht durchschimmern ließen. So war die Kirche schon von Menschen erfüllt, ehe der Gottesdienst noch begann. Es herrschte eine feierliche Stille. Auf einmal ertönte die vollstimmige Orgel, und der ausbrechende Lobgesang einer solchen Menge von Menschen schien das Gewölbe zu erschüttern. Als der letzte Gesang zu Ende ging, waren aller Augen auf die Kanzel ge- heftet , und man bezeigte nicht minder Begierde, den Prediger zu sehen als zu hören. Endlich trat er hervor und kniete auf den untersten Stufen der Kanzel, ehe er hinaufstieg. Dann er- hob er sich wieder, und nun stand er da vor dem versammelten Volke. Er sprach nach Anleitung des Evangeliums gegen Un- gerechtigkeit und Unterdrückung, gegen Üppigkeit und Ver- schwendung. Er erinnerte an die Zeiten des Krieges, an die Belagerung der Stadt, an die allgemeine Gefahr, in der die Not

7. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 11

1913 - Leipzig : Hahn
11 Ein einsamer Mann schritt eilig auf dem schmalen, grasbewachsenen Fußpfade vorwärts. Er war noch jung. Ein leichter Flaum sproßte über den frischen Lippen, und die hellgrauen Augen blitzten unternehmend und sorglos in die Welt. Ein lustiges Lied vor sich hinträllernd, achtete er wenig auf seine Umgebung; er sah weder rechts noch links; er bemerkte es auch nicht, daß die zuerst vereinzelt stehenden Sträucher und Bäume einander immer näher rückten. Plötzlich blieb er stehen. Die Pfade kreuzten sich nach verschiedenen Richtungen, und gerade vor ihm erhob sich ein dichter Wald. Überlegend sah er um sich. Weißer Nebel stieg aus den Wiesen hinter ihm; der Mond war aufgegangen und goß sein bleiches Silberlicht über die Berge; schwarz und schweigend stand der Wald da. Sollte er eintreten? Einen Augenblick besann er sich. Dann warf er trotzig seinen Kopf zurück und schritt vorwärts, zuerst vorsichtig, dann rascher. Immer tiefer drang er ein. Gespenstig drohend streckten die hohen Bäume ihre Äste gen Himmel. Der zuerst ziemlich breite Weg wurde immer schmäler. Kaum mehr dem Auge erkennbar, schlängelte er sich zwischen dem Buschwerk dahin. Der Jüngling mochte wohl mehrere Stunden so gegangen sein; Hunger und Müdigkeit drohten, ihn zu übermannen. Immer langsamer wurden seine Schritte, bis er endlich ganz stehen blieb. Er konnte nicht mehr vorwärts. Gerade vor ihm, quer über dem Weg, lag ein vom Sturme entwurzelter Stamm. Erschöpft ließ er sich auf diesen nieder, es war ihm unmöglich, weiter zu marschieren. Nachdem er eine Zeitlang geruht hatte, raffte er sich empor und eilte wieder zurück auf dem Wege, den er hergekommen war. Eine plötzliche, ihm sonst ganz ungewohnte Angst hatte ihn überfallen. „Nur fort, nur heraus aus diesem Walde," dachte er, „ganz gleich, wohin." Trotz seiner Ermattung lief er vorwärts, so schnell ihn die Beine trugen, einmal auf diesem, dann wieder auf jenem Wege. Aber zu seinem größten Schrecken gewahrte er, daß er immer wieder an den Ort zurückkehrte, von dem er ausgegangen war. Ver- zweifelnd warf er sich nieder, vergrub das Gesicht in beide Hände, schluchzte und rief laut um Hilfe. Als er wieder emporsah, schrak er zusammen, denn vor ihm standen drei Männer. Der eine trug ein prächtiges, reich mit Gold gesticktes Gewand, das von einem glänzenden, mit Edelsteinen geschmückten Gürtel zusammen- gehalten war. Der zweite hatte ein schwarzes Kleid mit rotem Gürtel und der dritte ein blaues Hemd und einen einfachen Ledergurt. In der nervigen Faust hielt er eine schwere Axt. „Was tust du hier?" fragten ihn die drei. — „Erbarmt Euch meiner, ich verschmachte. Sagt mir, wo ich eigentlich bin." — „Du bist im Walde des Elends", gaben sie zur Antwort. — „Helft mir, rettet mich, führt mich hinaus aus dieser entsetzlichen Wildnis", flehte er sie au. — „Wähle einen von uns, der dich führen soll."

8. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 13

1913 - Leipzig : Hahn
13 12. Die Ueujahrsnachl eines Unglücklichen. Ein alter Mensch stand in der Neujahrsnacht am Fenster und schaute verzweiflungsvoll auf zum unbeweglichen, ewig blühenden Himmel und wieder herab auf die stille, reine, weiße Erde, worauf jetzt niemand so freuden- und schlaflos war wie er. Der Kirchhof lag vor ihm, sein nahes Grab war bloß vom Schnee des Alters, nicht vom Grün der Jugend verdeckt, und er brachte nichts mit aus dem ganzen reichen Leben, nichts mit als Irrtümer, die Brust voll Gift und ein Alter voll Reue. Seine schönen Iugendtage wandten sich heute als Gespenster um und zogen ihn wieder vor den Hellen Morgen hin, wo ihn sein Vater zuerst auf den Scheideweg des Lebens gestellt hatte, der rechts auf der Sonnenbahn der Tugend in ein weites, ruhiges Land voll Licht, in die Heimat der Enge! bringt, und welcher links in die Maulwurfsgänge des Lasters hinabzieht, in eine schwarze Höhle voll heruntertropfenden Gifts, voll zischender Schlangen und finsterer, schwüler Dünste. Ach, die Schlangen hingen um seine Brust und die Gifttropfen auf seiner Zunge, und er wußte nun, wo er war. Sinnlos und mit unaussprechlichem Grame rief er zum Himmel hinauf: „Gib mir meine Jugend wieder! Cd Vater! stelle mich wieder auf den Scheideweg, damit ich anders wähle!" Aber sein Vater und seine Jugend waren längst dahin. Er sah Irrlichter auf Sümpfen tanzen und auf dem Gottesacker er- löschen, und er sagte: „Es sind meine törichten Tage." — Er sah einen Stern aus dem Himmel fliehen und im Falle schimmern und auf der Erde zerrinnen. „Das bin ich", sagte sein blutendes Herz, und die Schlangenzähne der Reue gruben sich tiefer ein in seine Munden. Die Einbildungskraft zeigte ihm schleichende Nachtwandler auf den Dächern, und die Mindmühle hob ihre Arme drohend zum Zer- schlagen auf, und im leeren Totenhause nahm eine zurückgebliebene Larve allmählich seine Züge an. Mitten in seiner Angst floß plötzlich die Musik für das Neujahr vom Turme hernieder wie ferner Kirchengesang. Er wurde sanfter bewegt, er schaute nach dem Himmel und über die weite Erde und dachte an seine Jugendfreunde, die nun, besser und glücklicher als er, Lehrer der Erde, Väter glücklicher Kinder und gesegnete Menschen waren, und er sagte: „Cd ! ich könnte auch, wie ihr, diese erste Nacht des Jahres mit trockenen Augen verschlummern, wenn ich gewollt hätte; ach, ich hätte glücklich sein können, ihr teuern Eltern, wenn ich eure Neujahrswünsche und Lehren erfüllt hätte!" In seinem reuevollen Andenken an seine Iünglingszeit kam es ihm vor, als richte sich die Larve mit seinen Zügen im Totenhause auf; endlich wurde sie in seiner Einbildung zu einem lebendigen

9. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 38

1913 - Leipzig : Hahn
38 24. Trinker-Ausreden. Eine der Hauptursachen der Krankheiten ist die Unkenntnis des Volkes in gesundheitlichen Fragen. Die große Menge, ob gebildet oder ungebildet, lebt nach Grundsätzen und Anschauungen, die die Gesundheit untergraben. Ein Kernpunkt der Lebenskunstist die Ernährung, die richtige Auswahl von Speise und Trank. Über kein Gebiet aber herrschen so viele und so große Irrlehren wie über die Frage: Was soll der Mensch trinken? Wissenschaftliche Tatsachen, die tägliche Erfahrung, das Handgreiflichste wird auf den Kopf gestellt, um dem Genusse von Wein, Bier und Branntwein mit Gewissensruhe frönen zu können. Welche Ausreden sind es denn, womit der Trinker sein Gläschen beschönigt? „Ich habe Durst", sagt der eine. Und doch * hat er schon oft erlebt, wie er nach einem fidelen Abend, an dem er mit so und so viel Glas den Riesendurst bezwungen, nachts vor Durst erwacht und gierig nach der Wasserflasche greift. Der Alkohol, den er im Wein, Vier und Schnaps zu sich genommen, hat im Körper den Wassergehalt vermindert und sein Flüssigkeitsbedürfnis gesteigert. Er will sich mit Wein und Bier den Durst stillen, obwohl er längst erfahren hat, daß Alkohol Durst erzeugt. Wer würde an einem Abend 5 bis 10 Seidel Wasser trinken? Es ist unmöglich; denn der Durst wäre schon nach dem ersten Seidel gefüllt. „Ich friere, mir ist zu kalt — ich muß mich durch ein Gläschen wärmen", sagt ein anderer, und doch belehrt ihn das Thermo- meter, daß bei Genuß von Wein, Bier und Branntwein die Blut- wärme sinkt. Der Alkohol lähmt gewisse Teile des Gehirns, sodaß die Blutgefäße der Haut sich erweitern und eine Blutflut zur Haut entsteht; dies zeigt das rote Gesicht und das scheinbare Gefühl der Erwärmung. Diese Täuschung ist die Ursache des Erfrierens all jener Unglücklichen, die durch ein Schnäpschen sich Wärme zu schaffen versuchten; denn die Blutflut in der Körperoberfläche gibt leicht ihre Wärme an die kalte Umgebung ab, bis das Blut immer mehr und mehr sich abkühlt. Sonderegger sagt in seinem trefflichen Buche „Vorposten der Gesundheitspflege": „Ich wunderte mich über die Fuhrleute in Kasan, die zu Hunderten den Frachtverkehr besorgen, wie sie bei einer Kälte von 30 bis 35* C Tag und Nacht auf den Beinen sein können und, um von Staüon zu Staüon zu gelangen, stets mehrere Stunden unterwegs sein müssen. Meistens sind diese Fuhrleute Tataren, die mit höchst seltenen Ausnahmen genau nach dem Koran leben und keine geistigen Getränke genießen. Diesem Umstande ist meines Erachtens ihre Ausdauer, ihre körperliche Frische und ihre große Willenskraft zuzuschreiben." Es erfroren bekanntlich Karl Xii. auf einem kurzen Zuge nach Gladitsch 3000 bis 4000 Mann, die sich mit Branntwein gegen die Kälte gestärkt hatten. Seit langem ist den russischen Soldaten bei Wintermärsche rr

10. Lesebuch nebst fachkundlichen Anhängen für Fortbildungs-, Fach- und Gewerbeschulen - S. 44

1913 - Leipzig : Hahn
44 allein noch übrig. Ich verließ sie mit der Besorgnis, vielleicht keines von beiden wiederzufinden. Mit schwerem Herzen ging ich aus der Stadt und sah mich oft um; da ich aber bald in die Arbeit kam, wurde ich wieder guten Mutes. Acht Jahre bin ich in der Fremde gewesen und habe viel Neues gelernt, was mir in der Folge großen Vorteil gebracht hat. Ich hatte öfters Gelegenheit, mich unter guten Aussichten als Meister zu setzen; aber so gut es mir auch gehen mochte, so waren meine Gedanken doch immer nach meiner Heimat gerichtet. Es kam mir immer vor, als ob die väterliche Werkstätte die beste auf Erden sei, und diese Nußbäume unseres Hofes die schattigsten und schönsten. Eines Abends, es war am zweiten Ostertage, als ich müßig fun Rhein unter den Bäumen saß und die Sonne mir gegen- über unterging und der Fluß zu meinen Füßen rauschte und das junge Laub der Bäume über mir, da ergriff mich eine un- beschreibliche Sehnsucht nach den Meinigen. Ich hatte seit ge- raumer Zeit keine Nachricht von ihnen, und es war mir, als ob ich ihre Stimme hörte, daß sie mich zu sich riefen. Ich war eben ohne Herrn und wollte noch weiter wandern; aber in diesem Augenblicke beschloß ich, nach Hause zurückzukehren. Ich schnürte also noch an demselben Tage mein Bündel, nahm Ab- schied von meinem letzten Meister und trat schon am folgenden Morgen frisch und wohlgemut meine Reise in die Heimat a:., die mehr als hundert Meilen entfernt war. Als ich mich den Grenzen meines Vaterlandes näherte, sah ich schon von ferne die blauen Berge und erkannte die Gegend, wo die Stadt liegen mußte; ich begrüßte jede bekannte Stelle, deren immer mehr wurden, je näher ich der Stadt kam. Es war kurz nach Mittag, als ich ihre rauchenden Schornsteine ,ah. Bald erkannte ich das Dach des väterlichen Hauses; aber die Essen darauf rauchten nicht. Da pochte mir mein Herz. Ich kehrte in das Hölzchen ein, das am Wege liegt, und setzte mich nieder, um meiner Unruhe Meister zu werden. Ach, dachte ich, du wirst Vater und Mutter nicht wiedersehen! Das Feuer ruht in der Werkstätte, und so wird er wohl auch ruhen, der alte Vater, von aller Mühe des Lebens. Ich stand traurig auf und ging mit unruhigem Herzen durch das Tor und die lange Gasse, ohne um und neben mich zu sehen, und wie ich um die Ecke mich wandte und vor unserm Hause stand, sah ich die Tür der Werkstätte offen, aber kein Amboß klang, und kein Feuer brauste. Zweifelnd und ungewiß trat ich hinein. Die ganze Werkstätte war aufgeräumt wie vor einem Festtage; alles Werkzeug hing an seinem Platze; keine Asche glühte in der Esse; nirgends war eine angefangene Alben
   bis 10 von 80 weiter»  »»
80 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 80 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer
Auswahl:
Filter:

TM Hauptwörter (50)50

# Name Treffer  
0 4
1 27
2 1
3 24
4 104
5 217
6 55
7 80
8 15
9 10
10 31
11 2
12 15
13 25
14 3
15 147
16 51
17 21
18 72
19 72
20 0
21 5
22 14
23 0
24 104
25 33
26 22
27 0
28 60
29 420
30 8
31 1
32 9
33 34
34 39
35 5
36 15
37 187
38 54
39 367
40 33
41 80
42 0
43 5
44 23
45 155
46 0
47 4
48 0
49 105

TM Hauptwörter (100)100

# Name Treffer  
0 1
1 9
2 0
3 1
4 4
5 3
6 1
7 0
8 0
9 0
10 0
11 0
12 19
13 1
14 0
15 2
16 22
17 23
18 0
19 21
20 0
21 13
22 0
23 2
24 0
25 2
26 0
27 0
28 19
29 0
30 0
31 0
32 1
33 1
34 0
35 0
36 4
37 0
38 1
39 6
40 13
41 0
42 6
43 1
44 1
45 10
46 0
47 0
48 1
49 5
50 0
51 4
52 0
53 0
54 4
55 0
56 0
57 0
58 0
59 3
60 0
61 1
62 1
63 0
64 1
65 0
66 0
67 0
68 1
69 1
70 3
71 1
72 1
73 0
74 0
75 6
76 7
77 51
78 0
79 1
80 0
81 3
82 8
83 0
84 0
85 0
86 0
87 6
88 0
89 0
90 0
91 23
92 30
93 0
94 15
95 0
96 0
97 1
98 1
99 0

TM Hauptwörter (200)200

# Name Treffer  
0 6
1 6
2 3
3 3
4 0
5 0
6 10
7 0
8 0
9 0
10 0
11 1
12 29
13 2
14 1
15 0
16 0
17 4
18 0
19 0
20 0
21 0
22 0
23 0
24 3
25 5
26 0
27 0
28 0
29 0
30 0
31 0
32 1
33 6
34 3
35 0
36 1
37 0
38 0
39 1
40 0
41 0
42 2
43 8
44 0
45 0
46 2
47 0
48 0
49 0
50 9
51 18
52 13
53 0
54 1
55 0
56 0
57 0
58 0
59 12
60 1
61 0
62 0
63 0
64 0
65 3
66 0
67 0
68 0
69 0
70 0
71 0
72 0
73 1
74 0
75 6
76 2
77 0
78 0
79 0
80 0
81 36
82 1
83 0
84 0
85 0
86 0
87 1
88 0
89 3
90 0
91 0
92 0
93 1
94 1
95 2
96 1
97 0
98 0
99 0
100 6
101 0
102 18
103 0
104 1
105 0
106 0
107 1
108 0
109 0
110 3
111 1
112 1
113 1
114 0
115 0
116 1
117 0
118 0
119 0
120 0
121 15
122 1
123 4
124 10
125 5
126 0
127 0
128 0
129 10
130 0
131 23
132 0
133 0
134 0
135 0
136 8
137 0
138 0
139 0
140 3
141 0
142 1
143 2
144 0
145 0
146 0
147 1
148 0
149 0
150 0
151 0
152 9
153 0
154 1
155 0
156 0
157 0
158 0
159 1
160 0
161 0
162 0
163 0
164 0
165 0
166 1
167 0
168 1
169 2
170 1
171 0
172 0
173 0
174 0
175 12
176 0
177 1
178 0
179 0
180 0
181 0
182 0
183 15
184 0
185 0
186 0
187 0
188 1
189 0
190 0
191 0
192 0
193 0
194 0
195 0
196 7
197 1
198 0
199 0